Kurzbiografie von 1849 - der junge Abenteurer

Am 18. März 1849 war Friedrich Gerstäcker an Bord der 'Talisman' und trat seine Reise nach Südamerika an. Am 23. August führte ihn die Weiterreise nach San Francisco, von dort in die Goldfelder Kaliforniens. Am 15.12.1849 erschien in der Nr. 337 Illustrirte Zeitung. Wöchentliche Nachrichten über alle Ereignisse. Leipzig: J.J. Weber, folgender Artikel, eine erste biografische Skizze:

Friedrich Gerstäcker. Friedrich Gerstäcker, der gegenwärtig das goldene Californien bereist, ist der Sohn des einst viel genannten Tenoristen, verlebte den größten Theil seiner Jugend in Braunschweig und erlernte sodann auf einem großen Gute bei Grimma - Doben - die Oeconomie. Aber frühzeitig entwickelte sich  in ihm auch der unwiderstehliche Reisedrang; er verließ Deutschland und schiffte nach Amerika, nur mit einer kleinen Baarschaft versehen, die er überdies durch einen Deutschen verlor, dem er sie in seinem vertrauensvollen Sinne zur Aufbewahrung übergeben hatte. Die Noth, in welche er in Folge dieses Verlustes gerieth, zwang ihn kein Mittel unversucht zu lassen, das ihm Brot zu schaffen geeignet schien, und er schämte sich keiner Arbeit. Er war so eine Zeitlang Heizer auf einem Dampfschiffe, er schnitt, bis an den Gürtel im Wasser stehend, Rohr, um durch dessen Verkauf sich etwas zu verdienen, er trat mit einem andern Deutschen zusammen, der 'Kaiserpillen' machte, während Gerstäcker die Schächtelchen dazu pappte. Endlich aber griff er zur Büchse und durchzog als Jäger die Vereinigten Staaten von einem Ende zum andern, die Kreuz und Quer, erlegte Hirsche, Bären usw. und erwarb sich durch Verkauf der Häute und Felle seinen Unterhalt. Am längsten hielt er sich in Arkansas auf. Seine Fahrten und Abenteuer während dieses sechsjährigen Jägerlebens hat er selbst beschrieben, als er 1844 nach Deutschland zurückkam. Trotz vielfacher Mängel, die Gerstäcker selbst jetzt recht wohl erkennt, machte er durch seine Frische Aufsehen und wurde veranlaßt, dem Publicum mehr von seinen Erlebnissen zu erzählen und dieselben in Novellen zu verflechten. Er kam 1845 nach Leipzig und schrieb hier in wenigen Jahren eine lange Reihe von Büchern mit fast unglaublicher Schnelligkeit. Seinen besten Roman, "die Regulatoren", warf er in kaum zwei Monaten auf das Papier. Trotzdem aber, daß seine Schriften großen Beifall fanden, daß er in angenehmen Verhältnissen lebte und sich verheirathet hatte, erwachte bald die alte Reiselust in ihm, der er je länger je weniger widerstehen konnte. Anfänglich trieb ihn nur der Ueberdruß fort, immer amerikanische Verhältnisse beschreiben zu müssen; er wollte andere Gegenden, andere Menschen, andere Figuren für seine Arbeiten suchen, denn alle Helden seiner Erzählungen sind wirklich Menschen, die er selbst gekannt hat. Deshalb gedachte er zuerst nach Texas und Mexico zu gehen. Als das Nothjahr 1848 erschien, rührte ihn das Loos der Armen im Erzgebirge, und weil er gesehen, wie viel Raum noch in Amerika ist, interessierte er sich sehr für das Auswanderungswesen und mit seiner frühern Reiselust verband sich die Idee, Plätze in andern Welttheilen zu suchen, wohin die Auswanderung am zweckmäßigsten zu leiten sei, sowie sich durch eigene Anschauung zu überzeugen, in welchem Zustande sich die deutschen Ansiedlungen befänden. Er that nun Schritte, sich Unterstützung zu seinem Unternehmen zu verschaffen, aber lange vergebens, bis es ihm endlich gelang, ein Uebereinkommen mit der Cotta'schen Buchhandlung abzuschließen, die ihm die Mittel gewährte, die Reise anzutreten. Auch ist rühmlich anzuerkennen, daß das Reichsministerium eine nicht unansehnliche Summe zuschoß, für welche Gerstäcker sich verpflichtet hat, Berichte über den zustand der deutschen Ansiedelungen zu geben. Im März d.J. verließ er Leipzig, um zuerst nach Californien zu gehen und mit eigenen Augen zu sehen, was von den dorther kommenden Berichten wahr oder erlogen sei. Zugleich erwartete er dort unter den aus allen Gegenden zusammenströmenden Menschen Personen zu finden, wie sie ein Romandichter schwerlich ersinnen kann. Bis jetzt hat er Briefe geliefert über seinen Aufenthalt in Rio Janeiro, in Buenos Ayres, über seinen Ritt durch die Pampas und seine gefahrvolle Wanderung über die Cordilleren im Winter. Er kam glücklich in Valparaiso an, aber - nachdem ein Schiff mit allen seinen Habseligkeiten bereits abgesegelt war. Wie es ihm weiter ergangen, hoffen wir nächstens zu erfahren.

Ergänzung:Gerstäcker schrieb erst 1852 eine Skizze, die ein Jahr darauf in der Illustrirten Zeitung veröffentlicht wurde: Mission Dolores [Die Mission Dolores bei San Francisco].
Illustrierte Zeitung, a.a.O., 20. Band, Nr. 507, Neue Folge, 8. Band, Seiten 179-180

 

 

 

 


 

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